Hochsensibilität / Hochsensitivität

Dieses grosse Thema wird in Zukunft mit Sicherheit einen noch grösseren Stellenwert einnehmen. Viele Menschen fallen aus der Norm wegen dieser besonderen Eigenschaft. Die Gesellschaft hat noch nicht gelernt, damit umzugehen.

10-20% der Menschen leben mit dieser ganz besonderen Eigenschaft. Rein gar nichts kann der Einzelne dafür, doch es gilt diesen anvertrauten und geschenkten Lebenszug zu integrieren und zu verstehen. Wieviel Zeit brauche ich für mich? Was kann ich tun bei Überreizung? Wie bewege ich mich in der Gesellschaft, am Arbeitsplatz unter Freunden? Was sage ich, und wie verhalte ich mich? Wie kann ich mich schützen? Wie gehe ich mit einem hochsensiblen Menschen um? Was mache ich mit meinen Gedanken? Was nützt es überhaupt, und was für Vorteile können daraus gezogen werden?

Unzählige Fragen, die nicht beantwortet, aber bedacht und ausgetauscht werden wollen. 

Im Austausch vertiefen wir das Leben im Kontext einer grossartigen, aber auch herausfordernden Eigenschaft.

Wenn Sie selber an Ihre Grenzen kommen oder Sie Ihr Kind nicht immer verstehen, dann könnte es mit dieser Sensibilität zu tun haben. Allein das Bewusstwerden und Verstehen kann helfen, sich im Alltag einfacher zu bewegen.

Mehr zum Thema:

Bei mir hat eine grosse, persönliche Krise meine Hochsensibilität ans Licht gebracht. Immer schon, war sie da, ein Teil von mir. Doch nun will sie verstanden, eingeordnet und gefördert werden.

Meine Hochsensibilität macht sich bemerkbar, in dem ich sehr stark wahrnehme, was rund um mich herum passiert: Stimmungen, Engagement, Hingabe, Tiefe, Ehrlichkeit, Haltungen, Beziehungen und vieles mehr. Verschiedenste Energien wirken sehr stark auf mich ein. Oft brauche ich Zeit und ziehe mich zurück, um das Erlebte zu verarbeiten, zu integrieren und zum Fliessen zu bringen. Oberflächliche Gespräche und Zusammenkünfte jeglicher Art sind für mich anstrengend und bringen mich innerlich zum Schwitzen. Immer wieder bin ich versucht, Probleme oder Spannungen auf mich zu nehmen und mir selbst die Schuld für so Vieles zu geben. Ich möchte es allen recht machen und verliere mich dabei selbst. Ich vertraue dem einzelnen Menschen und möchte ihm dabei Leben schenken. Ich versuche, das Leben mit all seinen Facetten in der Tiefe zu verstehen und mache mir darüber viele Gedanken. Ich brauche Zeit für mich, für das Zwiegespräch mit Gott, die Meditation und das Gebet. Tiefe Gespräche und Begegnungen sind mir von grosser Bedeutung.

Nun beobachte ich im Alltag noch intensiver. Ich versuche, Menschen und Zusammenhänge zu verstehen. Dabei fallen mir unzählige Dinge auf. Gewaltig, was sich mir da an Neuem auftut. Spannend, wie einzelne Menschen darüber denken und umgehen. Mir wird bewusst, wie Kinder Wege zu gehen versuchen in der Schule, dem Sport und in der Freizeit. Welchen Zusammenhang Leistungen, Verletzungen und Auftreten mit der Hochsensibilität haben können. Dabei geht es nicht darum, zu verheimlichen, zu vertuschen und alles optimal machen zu wollen, sondern viel mehr unterwegs zu sein und das uns anvertraute Leben zu verstehen und zu integrieren.

Wie oft lassen sich die sehr sensiblen Menschen von den lauten Stimmen der Welt kleinkriegen und vergessen dabei, dass sie ein sehr wertvolles Rüstzeug mitbekommen haben. Wie oft stürzen Menschen ab, suchen die Sucht oder den Tod, weil sie mit den unzähligen negativen Einflüssen und Stimmungen nicht umgehen können, weil sie nicht wahrgenommen und gehört werden. Weil sie selber nicht wissen, wer sie sind, nämlich geliebte Menschen dieser uns anvertrauten Welt.

Auch mir hätte es geschehen können, denn auch ich bin ein Mensch, angreifbar, verletzlich, unsicher, suchend und hingebungsvoll. Wagen wir uns, hinzustehen und unseren Weg zu gehen – ja, wagen wir es, zu uns zu stehen. Verbinden wir uns mit Menschen, denen es gleich geht, damit aus dieser gemeinsamen Erfahrung Segen und Fruchtbarkeit für die Welt entstehen können. Es geht nicht darum, was und wer besser ist – sondern darum, dass wir Menschen zusammen versuchen, den Weg zu gehen. Weder kämpfen noch bekämpfen – sondern leben, füreinander leben, Leben ermöglichen. 

Möge uns die innere Sehnsucht nach Wahrhaftigkeit und tiefem Sinn vorantreiben in die Herrlichkeit des Lebens.  

Einige Gedanken und Hilfen für hochsensible Persönlichkeiten im alltäglichen Leben:

 

Versuchen Sie ganz bei sich in der Präsenz zu leben, verbunden mit dem Bewusstsein, dass Sie sich selbst immer wieder berühren und streicheln, als Zeichen dafür, dass Sie sich selbst wahrnehmen und lieben. Aus diesem inneren Dialog der Liebe zu sich selbst wirken äussere Einflüsse in einer ganz anderen Art und Weise. Sie sind nicht ausgeliefert, sondern treten aus der inneren Beziehung heraus in Kontakt mit dem Leben, welches in Ihrer Umgebung stattfindet. So werden Sie sich viel weniger verlieren.

 

Unabhängig davon, in welchem Raum, mit welchen Menschen und wie die Umgebung auf sie einwirkt – suchen Sie nach Orten, Menschen und Tieren, die Ihnen Sicherheit schenken. Sicherheit und Orientierung sind wichtige Lebenselement in einer Welt, die in ihrer ungefilterten Intensität auf Sie eindringt.

 

Hier gibt es noch eine weitere Möglichkeit der Verbundenheit:  Ob Sie Menschen um sich herum haben oder nicht, können Sie Menschen in den Moment hinzuholen, sich mit ihnen verbinden, damit sie wiederum aus dieser geistigen Einheit heraus sich nicht verloren fühlen. Dies können fremde Menschen sein, die Sie nur für einen kurzen Moment wahrgenommen haben. Sie können Ihnen Sicherheit und innerlichen Frieden schenken. Natürlich ist dies auch mit Gott möglich, falls diese Möglichkeit für Sie in Frage kommt.

 

Körperkontakte brauchen für hochsensiblen Menschen oft sehr viel Energie. Es braucht ein persönliches und eigenständiges Einüben mit dem, was einem gut tut. Dabei sollen gesellschaftliche Regeln und Gesetze unbedingt in den Hintergrund gestellt werden, damit das gelebte Leben im Vordergrund steht.

 

Sich bewusst abgrenzen, Pausen einlegen und in die Verarbeitungsphase eintreten, ohne sich dem Leben zu entziehen, kann helfen, sich auszuruhen, sich neu auszurichten und aufzurichten.

 

Allen in allem ist der alltägliche Umgang mit sich und der Umwelt im bewertungsfreien Wahrnehmen und Bewusstwerden von ganz grosser Bedeutung. Was ist mir begegnet? Wie ist es mir ergangen? Was ist passiert in mir?

 

Wenn Sie hier noch Menschen finden, mit denen Sie sich austauschen können auf einer Ebene, wo weder Erklären noch Begründen notwendig sind, sondern einfach das Lernen am Leben zählt, welches jeden von uns dazu einlädt, wacher, reifer und lebendiger zu werden, dann dürfen Sie mit Sicherheit wachsen und Freude an dieser geschenkten Eigenschaft erhalten und dabei vielen Menschen helfend zur Seite stehen.

 

 

 

Für Kinder geschrieben:

 

Was gibt mir Sicherheit? Wo fühle ich mich wohl?

 

Bin ich ganz bei mir? Liebe ich mich, so wie ich bin?

 

Welche Menschen, Orte, Tiere geben mir Halt und Ruhe?

 

Was möchte ich bewusst von Aussen hereinholen, damit ich mich nicht einsam und allein fühle?

Kann vielleicht Gott eine Hilfe für das Leben sein?

 

Welche Körperkontakte möchte ich vermeiden? Welche brauche ich und tun mir gut?

 

 

Als Eltern, Geschwister, Grosseltern, Verwandte und Bekannte können Sie dem Kind in jeder Hinsicht helfen, wenn Sie es bewusst abholen, nachfragen und ihm immer wieder Sicherheit schenken. Schauen Sie dabei die Auseinandersetzung nicht als mühsam und anstrengend an, sondern viel mehr als Chance, dem Leben in seiner Tiefe begegnen zu dürfen. Was für ein besonderes Geschenk!

 

 

Das Kind, den Menschen ganz bewusst in seiner Eigenständigkeit und Persönlichkeit stärken, ihm Neugierde und Spannung für sein gelebtes Leben schenken, ist ein schwieriger Prozess, weil sie einerseits Halt suchen und brauchen und andererseits darauf angewiesen sind, dass sie es allein schaffen. Dies alles geht nicht über den Kopf, sondern nur mit dem Kopf über den Körper.